Meine verstorbene Großmutter Simone gefiel sich darin, jede Diskussion zum Thema Ästhetik mit diesem weisen Ausspruch abzuschließen: „Jedem sein schlechter Geschmack.“ In anderen Kreisen, in einer anderen Epoche behauptete Nietzsche, der schlechte Geschmack habe ebenso seine Daseinsberechtigung wie der gute Geschmack – dazu bemerkte Galliano ironisch: „Ich bevorzuge einen schlechten Geschmack gegenüber der völligen Abwesenheit von Geschmack!“ Hiermit möchte ich Sie zu einer Diskussion über ein weitreichendes Thema im Hinblick auf Dekoration und Einrichtung einladen …
Der schlechte Geschmack ist kulturell definiert; ein jedes Land kultiviert sein eigenes Konzept von gutem und schlechtem Geschmack. Wie oft haben wir schon gehört, wie sich die Franzosen freundschaftlich über den verirrten Geschmack ihrer englischen Nachbarn mokieren? Doch innerhalb ein und derselben Gemeinschaft kann sich der schlechte Geschmack in eine furchtbare politische Waffe verwandeln und zur Denunzierung und Bevormundung eingesetzt werden. In seinem Werk „La Distinction“ (dt. Titel: Die feinen Unterschiede) zeigt der Soziologe Pierre Bourdieu auf, wie die herrschende Klasse sich zu legitimieren und ihre Stellung aufrechtzuerhalten versucht, indem sie strategisch definiert und dem Rest der Gesellschaft vorschreibt, was guter Geschmack ist und was nicht: „Von allen Konvertierungstechniken, mit denen die Bildung und Akkumulation von symbolischem Kapital beabsichtigt ist, kommt der Kauf von Kunstwerken, dieser vergegenständlichten Zeugnisse des ‚persönlichen Geschmacks‘, der untadeligsten und unnachahmlichsten Form von Akkumulation am nächsten, nämlich der Inkorporation der Distinktionsmerkmale und Machtsymbole in der Form natürlicher ‚Vornehmheit‘, persönlicher Autorität‘ oder Bildung‘.“ Die Wahrheit ist offenkundig, dass weder das Hässliche noch das Schöne absolut und unvergänglich ist. Eine angebliche geschmackliche Entgleisung ist nichts weiter als ein Lapsus … Der Bodensatz, der wieder an die Oberfläche steigt!
Bildnachweis Toa Heftiba „Un pari osé mais une harmonie dans les couleurs“ (Ein großes Wagnis, und doch eine farbliche Harmonie)
Kommen wir zurück zum Thema Inneneinrichtung. Viele von uns geben sich alle Mühe, ihr Zuhause in einen einzigartigen und authentischen Ort zu verwandeln. Allzu leicht kommen wir in Versuchung, uns von den Vorgaben der Dekoration beeindrucken zu lassen und uns mit den Nachbarn zu vergleichen; darüber verlieren wir unsere wahren Werte und Bedürfnisse schnell aus den Augen. Empfinden auch Sie diese unerklärliche Furcht davor, einen Fauxpas zu begehen? Haben Sie sich schon einmal gefragt, was genau Ihnen eigentlich solche Angst macht? Fürchten Sie sich vor dem Urteil Ihrer Familie? Oder vor dem Ihrer Freunde? Oder vielleicht sogar vor Ihrem eigenen? Das eigentliche Problem besteht darin, dass wir uns nicht etwa vor einem Gegenstand, einem Werkstoff oder einer Farbe fürchten, sondern davor, an unsere eigenen Grenzen zu stoßen oder uns über die der Menschen in unserer Umgebung hinwegzusetzen. Wenn Sie sich dessen erst einmal bewusst werden, wird sich die Blockade automatisch lösen. Ich kann spüren, dass der Befreiungsprozess bei Ihnen bereits einsetzt … Tun Sie sich selbst einen Gefallen und befreien Sie sich bei dieser Gelegenheit auch gleich von ästhetischen Theorien und Modetrends. Nur Ihre eigene Geschichte hat eine wirkliche Bedeutung; lassen Sie sich von Dingen inspirieren, die Sie und die mit Ihnen zusammenlebenden Menschen als sinnstiftend empfinden. Das ist das Geheimrezept für ein Zuhause, in dem Sie sich wohlfühlen und dessen Inneneinrichtung Ihre Persönlichkeit widerspiegelt.
Das ist ja schön und gut, aber es gibt ja immer noch den “guten schlechten Geschmack” und den “schlechten Geschmack” …
Eine Umgebung, die in hohem Maße bewohnt und individuell wirkt, lässt auf einen wahren Kenner schließen: einen Kenner seiner selbst. Unser ganzes Sein ist davon durchsetzt. Den Mut zu haben, seinen eigenen Geschmack, welcher Art er auch sein mag, zum Ausdruck zu bringen – das bedeutet, sich zu behaupten und sich freizumachen. Das ist ja schön und gut, aber es gibt ja immer noch den “guten schlechten Geschmack” und den “schlechten Geschmack” … Das ist ein bisschen wie mit dem guten und dem schlechten Cholesterin, ob es den Gourmands gefällt oder nicht. Nichts ist erfrischender und unterhaltsamer als wohl dosierter schlechter Geschmack: Mit schlechtem Geschmack muss man richtig umgehen können und man sollte ihn nicht im Übermaß einsetzen. Hier ist Sparsamkeit absolut geboten. Eine ungewöhnliche Lampe, nicht zueinander passende Muster, Möbel aus unterschiedlichen Epochen … Kurz gesagt, ein Element, das aus dem Rahmen fällt; dieses ist häufig genau das Stück, welches aus der Einrichtung hervorsticht und ihr eine besondere Wertigkeit verleiht. Auch Kitsch hat seine Vorteile: So können etwa grelle Farben besondere Aufmerksamkeit erregen und bestimmte Zusammenstellungen das Auge des Betrachters auf sich lenken. Ohne solche Dissonanzen kann eine Einrichtung schnell langweilig und sogar stumpf wirken. Doch wie trifft man in der Praxis die richtigen Entscheidungen?
Bildnachweis : Toa Heftiba „Un jeu de matières“ (Spiel mit den Materialien)
Der Titel dieses sehr veralteten Films von Patrick Schulmann aus dem Jahr 1979 gibt die endgültige Antwort auf Ihre Frage: Der “gute schlechte Geschmack” ist keiner sozialen Schicht oder einem bestimmten Niveau von Wohlstand zuzuordnen, sondern er entspricht dem Bedürfnis nach … Zärtlichkeit! Schönheit entspringt aus „Missgeschicken“ beim Dekorieren. Sie bemächtigen sich einer allzu glatten Einrichtung und verleihen ihr eine Patina, eine neue Optik, eine Emotion. Im Flur die Zeichnungen Ihrer Kinder, ein müde aussehender Sessel, der immer noch furchtbar bequem ist, eine schlichte Vase, die Ihnen von Ihrer “Simone” vererbt wurde … so viele Stücke, denen es zusteht, von Ihnen für genau das, was sie sind, angenommen und geliebt zu werden! Das Schlusswort überlasse ich dem portugiesischen Dichter Fernando Pessoa: „Die Dinge haben keine Bedeutung: sie sind vorhanden.“
Food: a quintessential source of comfort for which we’ve felt renewed fervour in recent months. Some of us have tried our hand at breadmaking. Others have taken the opportunity to rethink the way we eat and source local products. Others have reinvented day-to-day interiors with beautiful table settings, claiming our right to continue enjoying life to the full! Let’s decode our kitchens’ role in all this…
Geschrieben von: Mélanie Trinkwell, Interior Designer
Noch einer dieser im Französischen häufig anzutreffenden Anglizismen, deren Geheimnis nur die Angelsachsen mit ihrem heiteren Gemüt kennen … Der „Waouh“-Effekt – und nein, nicht „Yahoo!“, wie ihn meine Großmutter, die gerade ihre ersten Schritte im Internet gemacht hat, scherzhaft nennt – bezeichnet eine „mit Bewunderung vermischte Überraschung“, so das Larousse-Wörterbuch. Doch was ist zu tun, um dieses hehre Ziel im Hinblick auf die Inneneinrichtung zu erreichen? Ich verrate Ihnen ein paar Strategien, wie Sie (hoffentlich) in Ihrem Zuhause den „Aha“- (oder wenn es Ihnen so lieber ist: Heureka-)Effekt hervorrufen können.
Geschrieben von: Mélanie Trinkwell, Innenarchitektin
2020, has been a very special year so far! Working from home is no longer a privilege, it has become a necessity for many of us. While the teleworking experiment is already over for some, it persists for others. According to Barclays’ CEO, Jes Staley, „the concept of working with 7,000 people in the same building may well be a thing of the past“. In the light of the current circumstances, creating a „home office“ worthy of its name has clearly become a priority. Instructions on how to proceed >>>
Geschrieben von: Mélanie Trinkwell, Interior Designer